Raumfahrttechnik

BEESAT-2

Projektübersicht

ProjektnameBEESAT-2 - Berlin Experimental and Educational Satellite
AnsprechpartnerDipl.-Ing. Sebastian Trowitzsch
Gefördert durchBundesministerium für Wirtschaft und Technologie
Förderkennzeichen50 RM 1006

Projektübersicht

BEESAT-2 ist eine Picosatellitenmission des Fachgebietes Raumfahrttechnik der TU Berlin von Prof. Dr.-Ing. Klaus Brieß. Der Satellit wurde basierend auf der CubeSat Design Spezifikation von den Mitarbeitern des Fachgebietes unter aktiver Teilnahme von Studierenden entwickelt. Wichtige Komponenten des Satellitenbusses wurden bereits während der Vorgängermission BEESAT-1 entworfen und stellen die bewährte technische Grundlage des Satelliten BEESAT-2. 
Die Forschungsziele des Vorhabens bestehen primär in der Implementierung eines innovativen Lageregelungssystems für Picosatelliten und dessen experimentelle technische Erprobung unter Weltraumbedingungen. Die bereits im Vorhaben Microwheels II verifizierten Reaktionsräder (Microwheels) werden hierbei als Aktoren eingesetzt.

Mission

Das primäre Missionsziel besteht in der technischen Erprobung von miniaturisierten Reaktionsrädern zur Lagestabilisierung eines Picosatelliten unter Verwendung einer Kamera zur Erdbeobachtung als exemplarische Nutzlast. Das sekundäre Missionsziel besteht in der Einbettung des Satellitenbetriebes in die Lehrveranstaltungen des Fachgebietes.

Erfolgskriterien

Nr.BeschreibungAnteil in %
1Bestehen der Akzeptanztestkampagne10
2Erfolgreicher Start20
3Durchführung von mindestens drei Monaten Missionsbetrieb10
4Korrekte Funktion des Lageregelungskreises, verifiziert durch Sensoren30
5Erfolgreiche Übertragung eines Bildes10
6Verifizierung der Ausrichtung des Satelliten durch die on-board Kamera20
 Summe100

Projektorganisation

Das Picosatellitenprojekt BEESAT-2 ist eingebettet in das laufende Forschungsvorhaben Microwheels III des Fachgebietes Raumfahrttechnik, das durch die Raumfahrtagentur des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt mit Mitteln des BMWi unter der Kennziffer 50RM1006 gefördert wird.

Projektmitglieder

ProjektleiterDipl.-Ing. Sebastian Trowitzsch
SystemingenieurDipl.-Ing. Frank Baumann (ehem.)
Studentische MitarbeiterTobias Funke
 Stephan Jahnke
 Michael Jetzschmann (ehem.)
 Johannes Lieb (ehem.)
 Pascal Thabaut (ehem.)

Systemübersicht

Der Satellit wurde aufbauend auf der Vorgabe eines fehlertoleranten Designs entwickelt, wobei kommerziell verfügbare Bauelemente – hauptsächlich aus der Automobilindustrie – zum Einsatz kamen. Fehlertoleranz wurde in den Systemen des Satellitenbusses durch redundante Subsysteme erzielt, die teils parallel, also heißredundant, arbeiten und teils umschaltbar, also kaltredundant, vorliegen. Strahlungsbedingten Effekten wird durch vorgeschaltete Sicherungssysteme entgegengewirkt, die einzelne Baugruppen im Fehlerfall komplett von der Stromversorgung trennen und somit einer möglichen Schädigung der Bauelemente vorbeugen. Die Abbildung zeigt, wie die einzelnen Subsysteme über ein redundantes Bussystem miteinander kommunizieren können. Als Kommunikationsbus wird ein Controller Area Network-Bus (CAN 2.0B) eingesetzt, der kaltredundant arbeitet und durch die Power Control Unit (PCU) überwacht wird.

Subsysteme

Energieversorgungssystem

Der würfelförmige Satellit ist auf seinen Seitenflächen mit Triple-Junction Galliumarsenid (GaAs) Solarzellen bestückt, die einen Wirkungsgrad von 26,8 % zum Beginn ihres Einsatzes aufweisen. Über Schutzdioden gesichert, bildet die Parallelschaltung von je zwei Solarzellen in Reihe den Solargenerator und speist die redundant vorhandenen Batterieladeregler. Der Satellit ist mit zwei physikalisch getrennten Lithium-Polymer Batterien ausgerüstet, die zum Schutz vor dem Vakuum in eine Aluminiumstruktur eingegossen wurden. Jede dieser Batterien ist mit ihrer Nennspannung von 7,4 V und einer Kapazität von 1250 mAh für die einjährige Lebensdauer des Satelliten ausgelegt. 
Die gewählte Konfiguration einer Energieversorgung mit zwei getrennten, parallel arbeitenden Versorgungssträngen toleriert den Ausfall eines der beiden Systeme, ohne den Betrieb des Satelliten zu gefährden. 
Eine Power Control and Distribution Unit (PCU) überwacht den Ladezustand der Batterien und den Stromverbrauch von 20 einzeln schaltbaren Verbrauchern an Bord des Satelliten, die über einen 5 V und einen 3,3 V Bus ihre Energie beziehen. 
Die PCU ist durch Sicherungsmechanismen in der Steuerungs-Software und durch eine externe Überwachungsschaltung abgesichert. Strahlungsbedingte Fehler können so wirksam behoben werden.

Bordcomputer

Der Bordcomputer des BEESAT-2 ist identisch zur Flughardware des BEESAT, die bereits seit September 2009 erfolgreich in einem sonnensynchronen Erdorbit in 720 km Höhe im Einsatz ist. 
Der Bordcomputer ist kaltredundant aufgebaut und verfügt über einen mit 60 MHz getakteten 32 bit Mikrocontroller, einen 2 MB großen SRAM Datenspeicher sowie 16 MB Flash-ROM als Programmspeicher. Zusätzlich ist ein 4 MB großer Flash-ROM vorhanden, der als Speicher für Telemetriedaten dient, die im Verlauf des Orbits gesammelt werden und während eines Bodenstationskontakts als historische Daten bereit stehen. Der Bordcomputer erlaubt die Erfassung von 52 separaten Analogkanälen. 
Dieselbe Baugruppe, die den Bordcomputer trägt, verfügt zudem über Sensorik der Lageregelung in Form eines redundanten, dreiachsigen Magnetometers und dreier einachsiger MEMS Gyroskope und ebenfalls über Teile des Kommunikationssystems des Satelliten.

Lageregelungssystem

Das Lageregelungssystem des BEESAT-2 verfügt alle Komponenten, die für eine Lagestabilisierung und -kontrolle in drei Achsen notwendig sind. Der Lageregelungstakt beträgt 2 Hz. 
Zu den Sensoren zählen eigens entwickelte Sonnensensoren, die auf jeder der sechs Außenflächen des Satelliten angebracht sind. Jeder Sonnensensor kann den Winkel des einfallenden Sonnenlichtes in zwei Achsen bestimmen. 
Weiterhin messen zwei dreiachsige Magnetometer nach dem Prinzip des magnetoresistiven Effekts das Erdmagnetfeld. Drei einachsige MEMS Drehratensensoren ermitteln die aktuelle Winkelgeschwindigkeit des Satelliten entlang seiner Körperachsen.

Um aus diesen Messwerten eine Lageinformation zu erhalten, benötigt der Bordcomputer Referenzvektoren. Aus der Kenntnis der Orbitparameter und der aktuellen Zeit wird mithilfe des SGP4-Algorithmus neben der Orbitposition – also dem Vektor vom Erdmittelpunkt zu Satelliten – auch ein Richtungsvektor zur Sonne im inertialen Koordinatensystem berechnet. Um einen möglichst genauen Wert zu erhalten, werden ebenfalls Barizentrumsbewegungen des Sonnensystems berücksichtigt.  
Anhand der Position des Satelliten im Orbit kann nun über ein aktuelles Referenzmodell des Erdmagnetfelds (IGRF11) ein weiterer Bezugsvektor bestimmt werden. Beide Referenzvektoren, der Richtungsvektor zur Sonne und der Magnetfeldvektor, werden durch ein statistisches Schätzverfahren (QUEST) mit den gemessenen Werten von bis zu fünf Sensoren verglichen, sodass eine Lageinformation mit Bezug zum inertialen Koordinatensystem gewonnen wird, die einen möglichst geringen Fehler in der Rotationsmatrix zwischen den berechneten und den gemessenen Vektoren aufweist.

Auf Seiten der Aktuatorik besitzt BEESAT-2 sechs Magnetspulen, die an den Außenflächen angebracht sind, und drei Mikroreaktionsräder, die entlang seiner Körperachsen montiert sind. Die Magnetspulen erlauben ein Abschwächen der Rotationsgeschwindigkeit des Satelliten durch gezielte Wechselwirkung mit dem Erdmagnetfeld. Hierzu wird zunächst noch keine vollständige Lageinformation benötigt. 
Die Reaktionsräder werden verwendet, um den zuvor stabilisierten Satelliten auf ein Ziel auszurichten. Dazu werden verschiedene Regelkreise geschlossen: Der damping-mode reduziert die Drehrate des Satelliten auf ein Minimum, der slew-modeerlaubt die Drehung um große Winkelbeträge entlang des kürzesten Weges, und der fine-pointing-mode erhält die Ausrichtung auf ein zuvor bestimmtes Ziel mit hoher Genauigkeit. Der fine-pointing-mode kann dabei auf ein inertial feststehendes Ziel, sogenanntes interial-pointing, oder auf den Erdmittelpunkt gerichtet sein, sogenanntes earth-pointing. Die Reaktionsräder verfügen über eine eigene Platine zur Ansteuerung der bürstenlosen Motoren, die im Regeltakt von 10 Hz eine Drehzahl- und Drehmomentenregelung erlaubt. 
Die Magnetspulen und die Reaktionsräder können durch das Bodenpersonal ebenfalls manuell bedient und getestet werden.

Kommunikationssystem

BEESAT-2 kommuniziert mit der Bodenstation im UHF Frequenzbereich, der für den Amateurfunk mit Satelliten freigegeben ist. Die Modulationsart ist GMSK bei einer nominellen Übertragungsrate von 4800 Bit pro Sekunde im halb-duplex Verfahren. Im Bedarfsfall kann die Datenübertragung vom Satelliten zum Boden auf 9600 Bit pro Sekunde erhöht werden. Die Kommunikationsstrecke ist durch Forward-Error-Correction (FEC), Interleaving, Scrambling und Prüfsummen (CRC) abgesichert. Eine Verschlüsselung der übertragenen Daten findet nicht statt. 
Das Kommunikationssystem ist ebenfalls redundant ausgelegt, wobei jeder Kommunikationspfad aus einem 8 Bit Mikrocontroller mit angeschlossenem Modem, Funktransceiver und einer Federstahlantenne besteht. Die Antenne ist in der Startkonfiguration um den Satelliten gewickelt und wird nach dem Auswurf des Satelliten zeitgesteuert entfaltet. Die Monopolantennen sind so angeordnet, dass im Fall ungünstiger Orientierung einer Antenne die jeweils andere gerade optimal zur Bodenstation ausgerichtet ist. Beide Transceiver sind zeitgleich auf Empfang. Gesendet wird normalerweise jeweils über denjenigen Kommunikationspfad, der die bessere Empfangscharakteristik aufweist. Jeder Pfad kann über die Bodenstation auch selektiv angesprochen werden.

Thermalsystem, Struktur und Mechanismen

Das Thermalsystem des Satelliten ist komplett passiv ausgelegt, sodass die Strahlungswechselwirkung mit der Weltraumumgebung zu einer akzeptablen, mittleren Bauteiletemperatur im Satelliten führt, bei gleichzeitig möglichst geringer Schwankungsbreite zwischen der Sonnen- und der Schattenphase eines Umlaufs um die Erde. Die einzelnen Subsysteme stellen gemeinsam 24 Temperaturwerte bereit, die als Teil der Telemetrie zum Boden übertragen werden. 
Die Struktur des Satelliten ist aus Aluminium gefertigt und hat an der Gesamtmasse des Satelliten einen Anteil von knapp 25%, inklusive sämtlicher Verbinder und Schrauben. Gemäß der CubeSat Spezifikation besitzt BEESAT-2 einen Auswurfschalter, der den Satelliten während des Starts stromlos schaltet und nach dem Auswurf aus dem Startkontainer aktiviert. Zwei Schmelzdrahtmechanismen halten in der Startkonfiguration die beiden Antennen bei hoher Zugspannung an ihrem Platz und können unabhängig voneinander ausgelöst werden, um die Antennen freizugeben.

Veröffentlichungen

  • Trowitzsch, S.; Baumann, F.; Brieß, K. (2013): BEESAT-2 – A Picosatellite Demonstrating Three-Axis Attitude Control with Reaction Wheels, 62. Deutscher Luft- und Raumfahrtkongress, Stuttgart (Deutschland), 10. – 12. September 
  • Trowitzsch, S.; Baumann, F.; Barschke, M.; Brieß, K. (2013): Lessons Learned from Picosatellite Development at TU Berlin, 2nd IAA Conference on University Satellites Missions, Rom (Italien),  3. – 9. Februar
  • Funke, T.; Jahnke, S.; Werner, P.; Trowitzsch, S.; Brieß, K. (2013): Development of a distributed ground segment for multi-mission satellite operations , 2nd IAA Conference on University Satellites Missions, Rom (Italien), 3. – 9. Februar
  • Baumann, F.; Trowitzsch, S.; Nitzschke, C.; Brieß, K. (2012): BEESAT – A CubeSat Series Demonstrates Novel Picosatellite Technologies, 4th European CubeSat Symposium, Brüssel (Belgien), 30. Januar – 01. Februar
  • Trowitzsch, S.; Baumann, F.; Nitzschke, C.; Brieß, K. (2011): Attitude control hardware and algorithms aboard BEESAT-2, 5th Pico and Nano Satellite Workshop on Technology for Small Satellite Research, Würzburg (Deutschland), 22. – 23. September
  • Brieß, K.; Baumann, F.; Trowitzsch, S. (2011): Present and Future Picosatellite Missions at TU Berlin, 8th IAA Symposium Small Satellites for Earth Observation, Berlin (Deutschland), 04. – 08. April
  • Baumann, F.; Trowitzsch, S.; Brieß, K.; Nitzschke, C. (2010): BEESAT – Flugergebnisse und Folgemissionen, Workshop Pico- und Nanosatellitenaktivitäten in Deutschland, Berlin (Deutschland), 8. Juni
  • Trowitzsch, S.; Baumann, F. (2009): Der Picosatellit BeeSat-2 der TU Berlin: Konfiguration und optische Nutzlast , 58. Deutscher Luft- und Raumfahrtkongress, Aachen (Deutschland) 08. – 10. September